Der Fels, durch den sich der Trümmelbach hindurchgefressen hat, besteht aus dicken Kalkbänken (2). Diese sind als Kalkschlamm in einem Flachmeer abgelagert worden, welches sich vor 140 Millionen Jahren, in der Ober-Jura-Zeit, über den ganzen europäischen Kontinent ausgebreitet hatte. 100 Millionen Jahre später ist das Gebiet des Berner Oberlandes in die Gebirgsbildung der Alpen einbezogen und aufgefaltet worden. Durch die Faltung wurden die Kalke (2) durch mächtige, weiter südlich abgelagerte Schichtpakete (3) (Wildhorndecke) überdeckt und zusammengepresst. Fältelungen und Fliess-Strukturen sind heute noch an den vom Trümmelbach polierten Wänden deutlich sichtbar und zeugen von den enormen Drucken, denen dieses Schichtpaket (3) während der Gebirgsbildung ausgesetzt war. Sogar die tiefere Erdkruste aus kristallinem Urgestein (1), die einst den Boden des seichten Jurameeres gebildet hatte, ist von der alpinen Faltung ergriffen worden. Grobe Schub-Späne dieses Urgesteins bauen heute den Jungfrau-Gipfel auf und liegen jetzt hoch über den Meeresablagerungen, die ihre ursprügliche Bedeckung waren. Die Alpen sind aber erst nach dem Zusammenschub durch Hebung zu einem hohen Gebirge geworden: Die Heraushebung begann vor etwa 10 Millionen Jahren und dauert noch heute an. Gleichzeitig begannen Regen, Schnee und Eis das Gebirge abzutragen bis in die tiefsten Stockwerke hinunter. Damit kann die Geschichte der Alpen überhaupt erst entziffert werden, denn die Natur der Gesteine und die Art ihrer Stapelung übereinander werden an den eingeschnittenen Talhängen sichtbar. Vor 500.000 Jahren begannen die Gletscher der Eiszeiten die heutigen Täler auszuheben und einen grossen Teil des älteren Schutts wegzuräumen. Die blanken Felswände des Lauterbrunnentales verraten die erosive Kraft des Eises, das einst das Tal bis zum Rand gefüllt hat (4).
Während der Staubbach und seine Geschwister als Wasserfälle frei über die vom Eis gehobelten Felswände stürzen, hat der Trümmelbach angefangen, sich in den Fels zu bohren, als das Tal noch mit Eis gefüllt war (4). Die seitlichen Schmelzwasser des Gletschers haben eine Gletschermühle in Gang gesetzt, die während eines guten Teils der letzten Eiszeit funktioniert haben muss und durch einen Glücksfall nicht von Moränenschutt verstopft wurde. Durch dieses Gletschermühlenloch haben die oberflächlichen Schmelzwasser ihren Weg bis an die Gletschersohle gefunden und sind dann, etwa bei Lauterbrunnen, unter dem Gletschereis hervorgestrudelt. So donnert der Trümmelbach seit etwa 15.000 bis 20.000 Jahren durch den Fels als ein wahrlich beredter Zeuge der letzten Eiszeit.
Quelle: Prof. Dr. Hottinger,
Geologisches Institut, Universität Basel